Ohne Kratzer und Stress: So geht deine Katze entspannt in die Transportbox

Stress bei Katzen

Verstehen, Erkennen und Handeln – Ein Blick auf Psychoneuroimmunologie und Verhalten
Stress ist nicht nur ein menschliches Phänomen. Auch unsere Katzen, erleben täglich Situationen, die ihre Nerven belasten und ihr Wohlbefinden beeinträchtigen können. Doch was genau passiert im Körper einer Katze, wenn sie gestresst ist? Welche Systeme sind beteiligt, und welche Auslöser gibt es? In meinem Blog nehme ich Dich mit auf eine Reise durch die komplexe Welt der Psychoneuroimmunologie und des Verhaltens. Ich beleuchte die Grundlagen des tierischen Stressverhaltens, die Rolle des limbischen Systems und der Nebennieren, sowie das Zusammenspiel der verschiedenen Gehirnregionen.

Grundlagen und das dreieinige Gehirn

Grundlagen

Stressreaktionen sind evolutionär bedingt und dienen dem Überleben des Individuums. Bei unseren heutigen Katzen, passen diese Reaktionen jedoch oft nicht mehr in die moderne Haltungsumwelt, was zu Störungen und Problemen im Zusammenleben mit dem Menschen führen kann. Eine Katze, die in freier Wildbahn auf Stressoren wie Feinde oder Nahrungsmangel reagieren würde, zeigt ähnliche Reaktionen auf scheinbar harmlose Auslöser in der häuslichen Umgebung, wie laute Geräusche oder Veränderungen im Haushalt.

Das dreieinige Gehirn

Das Konzept des dreieinigen Gehirns, entwickelt von Paul MacLean, hilft uns, die Komplexität des Gehirns und seine Reaktionen auf Stress besser zu verstehen. Es unterteilt das Gehirn in drei Hauptbereiche:

  • Reptilienhirn (Stammhirn)
    • Das Reptilienhirn oder Stammhirn ist für unwillkürliche und automatische Reaktionen und Abläufe im Körper zuständig. Dazu gehören die Regulierung der Körpertemperatur, Herzfrequenz, Blutdruck, Atmung und Schlaf. Diese Funktionen sind von reaktiver und instinktiver Natur. Ein wichtiger Teil des Stammhirns ist der Blaue Kern, der eine Schlüsselrolle im Stressgeschehen spielt. Hier wird ein Großteil des Noradrenalins produziert, welches eine der beiden Stressachsen antreibt. Noradrenalin ist ein Neurotransmitter, der bei der Vorbereitung des Körpers auf eine Kampf-oder-Flucht-Reaktion beteiligt ist.
  • Alte Säugetiergehirn (limbisches System)
    • Das limbische System bildet die Verbindung zwischen dem Großhirn und älteren, tiefer liegenden Bereichen des Gehirns. Es ist verantwortlich für die Verarbeitung sensorischer Informationen und spielt eine zentrale Rolle bei Emotionen und dem Kurzzeitgedächtnis. Bei Katzen ist das limbische System aktiv, wenn sie auf ihre Umgebung reagieren – sei es das Erkennen von Gefahr oder das Erinnern an positive Erlebnisse, wie das Füttern.
  • Neue Säugetiergehirn (Großhirnrinde)
    • Die Großhirnrinde ist der neueste Teil des Gehirns und zuständig für bewusste Wahrnehmung und kognitive Prozesse. Hier werden die Informationen der fünf Sinne zusammengesetzt und mit gespeicherten Erinnerungen verglichen. Dieser Bereich ermöglicht bewusstes, rationales und willkürliches Handeln. Bei Katzen zeigt sich dies in ihrem spielerischen Verhalten, dem gezielten Einsatz von Pfoten und Augen bei der Jagd oder der Problemlösung, wenn sie beispielsweise einen Weg finden, um an Futter zu gelangen.

Das dreieinige Gehirn zeigt uns, wie verschiedene Gehirnregionen zusammenarbeiten, um auf Stress zu reagieren und das Verhalten eines Tieres zu steuern. In den nächsten Abschnitten werden wir tiefer in das limbische System und die Nebennieren eintauchen, um besser zu verstehen, wie Emotionen und körperliche Reaktionen miteinander verbunden sind.

Das limbische System und die Nebennieren

Das limbische System

Das limbische System spielt eine zentrale Rolle im emotionalen und kognitiven Leben von Tieren. Es hat sowohl das erste als auch das letzte Wort, wenn es um emotionale Reaktionen geht, und koordiniert Lernprozesse sowie die Bildung von Gedächtnisinhalten.

Bestandteile des limbischen Systems

  • Hippocampus: Der Hippocampus fungiert als Arbeitsspeicher des Gehirns. Er ist entscheidend für die Verarbeitung neuer Erinnerungen, Emotionen und Informationen. Zudem reguliert er die Reaktionsschwellen für Angst und Ängstlichkeit. Bei Katzen wird der Hippocampus aktiviert, wenn sie sich an neue Spielzeuge oder Futterplätze erinnern oder auf unbekannte Geräusche reagieren.
  • Gyrus cinguli: Dieser Bereich ist für die Verarbeitung von Sinneseindrücken und emotionalen Reaktionen auf Schmerz verantwortlich. Er steuert auch die Reaktionsschwellen für aggressives Verhalten. Bei einer Katze könnte der Gyrus cinguli aktiviert werden, wenn sie auf eine schmerzhafte Erfahrung wie einen versehentlichen Tritt reagiert.
  • Amygdala: Die Amygdala spielt eine entscheidende Rolle bei der Ersteinschätzung von Sinnesreizen und der Modulation von Furcht- und Angstreaktionen. Sie ist auch bei der Kontrolle von Aggressionen beteiligt. Wenn eine Katze plötzlich aufschreckt und sich versteckt, weil sie ein unbekanntes Geräusch hört, ist die Amygdala aktiv.
  • Riechhirn (inkl. Septum): Geruchsinformationen gelangen sofort ins Gehirn und spielen eine wichtige Rolle bei der emotionalen Bewertung. Bei Katzen, die stark auf Gerüche reagieren, etwa wenn sie den Geruch eines anderen Tieres wahrnehmen, ist das Riechhirn besonders aktiv.
  • Teile des Thalamus: Der Thalamus fungiert als Schaltzentrale, die emotionale Reaktionen und Sinneseindrücke aufnimmt und weiterverarbeitet. Er verbindet Umweltreize mit den entsprechenden körperlichen Reaktionen.
  • Hypothalamus: Der Hypothalamus reguliert grundlegende biologische Aktivitäten wie Nahrungsaufnahme, Fortpflanzung, Körpertemperatur und Blutzuckerspiegel. Er kontrolliert auch das autonome Nervensystem und das endokrine System. Der Hypothalamus ist ein wichtiger Teil der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse und koordiniert die Aktivitäten von Sympathikus und Parasympathikus. Er ist beteiligt an der Entstehung unkonditionierter und konditionierter emotionaler Reaktionen.

Nebennieren

Neben dem Nervensystem sind die Nebennieren das Hauptkommunikationssystem des Körpers. Sie sind als „Kampf- oder Fluchtdrüsen“ bekannt, da sie den Körper bei Herausforderungen funktions- und anpassungsfähig machen.

  • Nebennierenrinde: Die Nebennierenrinde produziert bis zu 40 verschiedene Steroidhormone, die vielfältige Funktionen im Körper haben.
  • Nebennierenmark: Das Nebennierenmark schüttet wichtige Hormone und Neurotransmitter aus:
  • Adrenalin: Ein Stresshormon, das den Körper in Alarmbereitschaft versetzt. Es gibt etwa viermal so viele Zellen zur Bildung von Adrenalin wie zur Bildung von Noradrenalin.
  • Noradrenalin: Dieses Hormon und Neurotransmitter ist ebenfalls zentral für die Stressreaktion.
  • Dopamin: Ein Zwischenprodukt der Synthese von Adrenalin und Noradrenalin und als Neurotransmitter aktiv.

Bei einer Katze könnten diese Hormone beispielsweise bei einer plötzlichen Bedrohung ausgeschüttet werden, was zu erhöhtem Puls, schnellerer Atmung und einer allgemeinen Erhöhung der Wachsamkeit führt.

Das Verständnis des limbischen Systems und der Nebennieren ist essenziell, um zu begreifen, wie Tiere auf Stress reagieren. Diese Systeme arbeiten eng zusammen, um emotionale und körperliche Reaktionen zu koordinieren, die für das Überleben und die Anpassung an die Umwelt entscheidend sind. Im nächsten Abschnitt werden wir das Zusammenspiel dieser Systeme noch genauer untersuchen.

Zusammenwirken der Systeme

Das Stressverhalten bei Tieren ist das Ergebnis eines hochkomplexen Zusammenspiels verschiedener Systeme im Gehirn und Körper. Dieses Zusammenspiel lässt sich am besten anhand der Verarbeitung sensorischer Informationen und der daraus resultierenden Stressreaktionen erklären.

Sensorische Informationsverarbeitung

  • Thalamus: Sensorische Informationen, die über die Sinne aufgenommen werden, erreichen zuerst den Thalamus, ein Teil des limbischen Systems. Der Thalamus fungiert als Schaltzentrale und leitet diese Informationen an die Großhirnrinde weiter. Hier entsteht ein Bild der Situation.
  • Großhirnrinde: In der Großhirnrinde werden die sensorischen Informationen mit Gedächtnisinhalten aus ähnlichen Situationen abgeglichen. Auf Basis dieses Vergleichs entscheidet die Großhirnrinde, wie auf die aktuelle Situation reagiert werden soll.
  • Gefährliche Situationen: Wenn die aktuelle Situation als gefährlich erkannt wird, insbesondere wenn frühere Bewältigungsstrategien wie Flucht oder Kampf nicht geholfen haben und das Tier sich hilflos fühlte, löst die Großhirnrinde eine Stressreaktion aus.

Aktivierung der Amygdala und Notfallprogramm

In einer als gefährlich erkannten Situation übergibt die Großhirnrinde die Führung an die Amygdala im limbischen System. Die Amygdala startet ein Notfallprogramm und sendet Informationen an das Stammhirn, um überlebenswichtige Ressourcen für Kampf oder Flucht zu mobilisieren. Dieser Prozess erfolgt oft nach dem Motto „lieber einmal zu viel als zu wenig reagieren“, um das Überleben des Tieres zu sichern.

SAM-Achse (Sympathikus-Nebennierenmark-Achse):

  • Direkte Stressreaktion: In besonders bedrohlichen Situationen kann der Thalamus die Großhirnrinde umgehen und die Amygdala direkt informieren, was zu einer sofortigen Stressreaktion führt.
  • Emotionale Tönung: Die Aktivierung der Amygdala verleiht der Stressreaktion eine starke emotionale Komponente, wie Angst oder Wut. Die Amygdala sendet erregende Botenstoffe wie Glutamat aus, die das Stresszentrum im Hirnstamm, den blauen Kern, aktivieren.

Blauer Kern und Noradrenalin:

  • Sympathikus-Aktivierung: Der blaue Kern produziert Noradrenalin, das den Sympathikus aktiviert. Dieser wiederum erhöht Atemfrequenz, Puls und Körpertemperatur.
  • Adrenalin-Ausschüttung: Die Alarmbotschaft erreicht das Nebennierenmark, das Adrenalin ausschüttet, um den Körper auf Kampf oder Flucht vorzubereiten.
  • Beendigung der Stressreaktion: Sobald die bedrohliche Situation vorüber ist, stoppt der blaue Kern die Produktion von Noradrenalin, und der Körper kommt wieder zur Ruhe.

HPA-Achse (Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse):

Wenn die bedrohliche Situation anhält, bleiben die Amygdala und der blaue Kern aktiv und produzieren weiterhin Botenstoffe. Das führt zur Aktivierung der HPA-Achse:

  • Hypothalamus: Die anhaltende Aktivierung erreicht den Hypothalamus, der die HPA-Achse startet. Diese Achse führt zur Ausschüttung von Cortisol, einem Hormon, das den Körper auf eine länger anhaltende Auseinandersetzung mit der bedrohlichen Situation vorbereitet.
  • Cortisol: Dieses Hormon spielt eine Schlüsselrolle bei der langfristigen Bewältigung von Stress und ermöglicht es dem Körper, auch über längere Zeiträume hinweg funktionsfähig zu bleiben.

Einfluss auf das Wohlbefinden:

  • Noradrenalin: Reguliert die Aktivität des Sympathikus und beeinflusst die körperliche Reaktion auf Veränderungen wie Lagewechsel, Kälte, Blutverlust, körperliches Training sowie aktives Meideverhalten und Flucht.
  • Adrenalin: Reflektiert die Aktivität des hormonellen Systems des Nebennierenmarks und ist beteiligt an Reaktionen auf Unterzuckerung, niedrigen Blutdruck, körperliches Training über die anaerobe Grenze hinaus, Atemdepression, Schock, emotionale Belastung und passive, immobilisierende Angst.

Das Zusammenspiel dieser Systeme ermöglicht es Tieren, auf vielfältige und oft unvorhersehbare Umweltreize adäquat zu reagieren und ihr Überleben zu sichern. Im nächsten und letzten Teil unserer Serie werden wir eine Definition von Stress und konkrete Beispiele für Stressoren bei Tieren betrachten.

Definition von Stress und Beispiele für Stressoren

Definition von Stress

Stress ist ein Zustand, in dem der Körper einen Stressor als Bedrohung der Homöostase erkennt. Stressoren sind Stimuli, die eine Bedrohung der Homöostase darstellen. Der Körper reagiert mit Anpassungen auf Stressoren, um die Homöostase zu erhalten oder wiederherzustellen. Einfach ausgedrückt: Stress ist die Summe aller Faktoren, die dazu führen, dass ein Organismus Energie verbraucht, um wieder ins Gleichgewicht zu kommen.

Stressoren

Stressoren sind Reize oder Lebensumstände, die eine physiologische Stress-Reaktion hervorrufen. Diese können sehr unterschiedlich sein und lassen sich in mehrere Kategorien einteilen. Beispiele aus der Katzenwelt helfen, diese Stressoren besser zu verstehen.

Beispiele für Stressoren

  • Infektionen & Erkrankungen: Eine Katzeninfektion, wie eine Erkältung oder eine chronische Krankheit wie Diabetes 
  • Übergewicht: Übergewichtige Katzen haben oft mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen, was Stress verursacht
  • Mangelnde Erfüllung der Grundbedürfnisse: Mangel an Futter, Wasser oder einer sicheren Umgebung
  • Pheromone: Pheromone anderer Tiere können Stress auslösen, besonders bei territorialen Auseinandersetzungen
  • Duftstoffe: Starke chemische Düfte im Haushalt, wie Reinigungsmittel oder Parfüms, können Katzen belasten
  • Überforderung: Zu viele neue Trainingseinheiten können Katzen stressen
  • Unterforderung: Langeweile und mangelnde Beschäftigung
  • Angst vor Strafe: Angst vor Bestrafung bei unerwünschtem Verhalten
  • Angst: Allgemeine Ängste, wie vor neuen Situationen oder unbekannten Menschen
  • Unkontrollierbarkeit: Gefühl, keine Kontrolle zu haben
  • Konflikte: Auseinandersetzungen mit anderen Katzen im Haushalt
  • Verlust: Verlust eines Spielgefährten Katzenkumpels
  • Langweile: Mangel an sozialen Interaktionen und Beschäftigung
  • Auseinandersetzungen: Kämpfe oder Konkurrenzkämpfe mit anderen Tieren
  • Bedrohung durch Andere: Bedrohung durch neue oder fremde Tiere im Haushalt oder in der Umgebung
  • Rivalität: Konkurrenz um Ressourcen wie Futter oder Schlafplätze
  • Umzug: Veränderung der Umgebung durch Umzug in ein neues Zuhause

Fazit

Stress bei Tieren, insbesondere bei Katzen, ist ein komplexes Zusammenspiel von diversen Faktoren. Diese Faktoren können einzeln oder in Kombination auftreten und das Wohlbefinden und die Gesundheit der Katze erheblich beeinträchtigen. Ein tiefes Verständnis dieser Stressoren hilft Katzenhaltern, ihre Katze besser zu betreuen und deren Stress zu minimieren.

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